Behandlungsformen

Da Essstörungen Erkrankungen mit hohem Krankheitswert (hohe Morbidität und Mortalität), sowohl seelischer als auch körperlicher Art sein können, mit einem hohen Anteil an Komorbidität (Begleiterkrankungen) und einer hohen Chronifizierungsneigung, sind zu ihrer effektiven, durchgreifenden Behandlung von Anfang an spezifische Therapieangebote notwendig.

DIE BASIS ODER DER THERAPIESTART ist meist die ambulante psychotherapeutische Behandlung einmal wöchentlich bei einer Therapeutin/einem Therapeuten, die/der mit Essstörungen Erfahrung haben sollte. Im Idealfall gibt es eine Zusammenarbeit mit einer Diätassistentin oder Ökotrophologin in Ernährungsfragen (Essplanerstellung), ebenso wie mit einem Allgemeinmediziner oder Internisten/Kinderarzt zur Erfassung medizinischer Probleme.

ABHÄNGING VON DER NIEDRIGKEIT des Körpergewichts oder dem Ausmaß einer bulimischen Symptomatik, kann ein stationärer Aufenthalt in der Anfangsphase ein erfolgreicher Therapiestart sein, weil er die Betroffenen aus dem typischerweise hochbelasteten häuslichen Milieu löst und frühzeitig eine effektive (erfolgreiche) Wiederernährung bewirken kann. Am besten funktioniert dieser Therapiestart, wenn er in einem essstörungsspezifisch arbeitenden Setting unter Miteinbezug der wesentlichen Familienangehörigen erfolgt. Die Klinik Lüneburger Heide bietet dazu das entsprechende Therapieprogramm.

AUCH NUR KURZE STATIONÄRE INTERVALLAUFENTHALTE können mithelfen dabei, den stationären Therapieerfolg zu sichern und schwereren Rückfällen vorzubeugen. Essstörungen treten bevorzugt im Jugendalter und jungen Erwachsenenalter auf. In dieser Zeit sind die Anforderungen hinsichtlich Lebensorientierungs- und Gstaltungswünschen besonders hoch und damit auch die Anfälligkeit der Betroffenen für Rückfälle. Die Essstörung vermittelt pathologischen Halt, wenn gesünderer Halt und Lebenssicherheit noch zu wenig selbst erlebt werden oder im Umfeld gegeben sind. Nach neueren Untersuchungen spielt der besondere Denkstil bei Anorexia nervosa Patientinnen (unflexibel, eingeengt, auf Leistung und Perfektionismus foccusierend, hohe Außenorientierung, Schwierigkeiten mit der Anpassung an sich verändernde Lebenssituationen) eine wichtige Rolle.

ESSSTÜRUNGSSPEZIFISCH ARBEITENDE BETREUTE WOHNEINRICHTUNGEN können für schwere, chronifizierte und hoch rückfallgefährdete Essstörungserkrankte ein wichtiges Bindeglied darstellen zwischen stationärem Aufenthalt und ambulanten Therapieangeboten, bei denen die Betreuungsintensität und Tagesstrukturierung nicht ausreichen. Die Überwindung der Erkrankung lässt sich damit gut befördern und die Rückfallgefährdung reduzieren. Der Schritt danach kann dann wieder die Rückkehr nach Hause oder in eine altersangemessene andere Lebensform, oft mit weiterer und im Verlauf erst langsam abnehmender Betreuung durch die Wohneinrichtung, sein.

Stationäre Therapiephasen erscheinen angezeigt

  • wenn sich nur damit die krankhaft ausgelebte Esskontrollsymptomatik unterbrechen lässt, bzw. eine Essstörung vorliegt (laut Leitlinien Essstörungen BMI < 15 oder 3. BMI-PZ), die mit ambulanten, auch mehrgleisig eingesetzten Therapiemaßnahmen, nicht oder zu wenig positiv zu beeinflussen ist
  • wenn schwere medizinische Folgen und Komplikationen vorliegen
  • wenn die Essstörung eine Begleiterkrankung überdeckt, die eine Symptomverschiebung auslöst, sobald das essgestörte Verhalten aufgegeben wird
  • wenn Hungern und bulimisches Verhalten sich abwechseln bei dem Versuch darauf zu verzichten
  • wenn das Lösen aus dem häuslichen Umfeld und / oder die Einbindung in eine Tages- und Mahlzeitenstruktur erforderlich ist, um die Esskontrollsymptomatik zu unterbrechen
  • generell, um das hohe Chronifizierungsrisiko zu senken und im stationären Aufenthalt als Dreh- und Angelpunkt einen Langzeittherapieplan auszuarbeiten – dies besonders bei Betroffenen mit geringer Veränderungsmotivation.

Miteinbezug der Familien

Im Rahmen familien- oder paartherapeutischer Sitzungen bzw. Coachingeinheiten beziehen wir die wesentlichen Angehörigen in den Therapieprozess mit ein. Eine videounterstützte Nachbearbeitung zur gemeinsamen Analyse ungünstiger und vor allem krankheitsaufrechterhaltender Verhaltensmuster kann den Therapieprozess ergänzen und auch zusammen mit den Angehörigen erfolgen.

INTENSIVIERT WIRD DIESER PROZESS in einem ganz speziellen Therapieangebot der Klinik Lüneburger Heide, den Eltern-Kind-Therapiewochen (als Multifamilientherapieeinheit). In ihrem Rahmen bieten wir 7 x jährlich (von Montag bis Freitag) den stationären Miteinbezug von Eltern Essgestörter an (Unterbringung der Eltern in einem nahe gelegenen Hotel). Neben dem Miteinbezug der Eltern in den Therapieprozess der Kinder gibt es eine Selbsterfahrungseinheit nur für die Eltern, in der problematisches Elternverhalten bzw. eine Optimierung unterstützenden Elternverhaltens besprochen wird.