ADHS-Patienten haben häufig ein sehr geringes Selbstwertgefühl und haben es nicht (oder nicht mehr) geschafft, ihr Leben allein in den Griff zu bekommen. Erwartungen, die an sie gestellt wurden, konnten sie häufig trotz größter Anstrengungen nicht erfüllen. Dies gilt auch im Hinblick auf vielfältige gute Ratschläge zur Verbesserung der Situation oder frustrierende Therapievorerfahrungen. Daher ist eine von gegenseitiger Wertschätzung und Akzeptanz gekennzeichnete Atmosphäre in der Klinik gerade für diese Patientengruppe die Grundvoraussetzung dafür, den Mut aufzubringen, über Gefühle, Enttäuschungen, traumatisierende Erlebnisse und Kränkungen zu sprechen und eine realistische Zukunftsperspektive mit einem möglichst konkreten Handlungsplan für schrittweise Veränderungen zu entwickeln.
Das stationäre Behandlungskonzept ermöglicht dabei einerseits eine Verarbeitung und Neubewertung der erfahrenen emotionalen Verletzungen, andererseits aber auch durch Bestätigung und Anleitung zur Veränderung der aktuellen Situation eine konkrete Hilfestellung. Dabei sind Stimmungsschwankungen und niedriges Selbstwertgefühl mit teilweise extremen Selbstabwertungen häufige Themen in der Therapie. Andererseits verfügen diese Patienten oft über enorme Ressourcen und Kompensationsfertigkeiten, die sie in der Vergangenheit häufig nicht frei entfalten oder nutzen konnten.
Unser Behandlungskonzept ist gruppentherapeutisch orientiert. Dies ermöglicht den Patienten einerseits soziale Unterstützung und gegenseitige Hilfestellung, insbesondere aber auch den Erfahrungsaustausch über ADHS und damit verbundene Probleme im Alltag. Allein das Wissen um ADHS führt bei vielen Patienten bereits zu einer Entlastung und Reaktivierung von Ressourcen, die dann im stationären Setting optimiert und trainiert werden können.
Definitionsgemäß handelt es sich bei ADHS um eine lebenslang bestehende Grundproblematik, die zu nachhaltigen Beeinträchtigungen der täglichen Lebensorganisation, im Selbstbild, in der Identität und im zwischenmenschlichen Verhalten (z.B. gegenüber eigenen Kindern, Partner, Arbeitskollegen) führen kann. Eine zeitlich begrenzte stationäre Therapie kann eine neue Sichtweise auf bisher als eigenes Versagen, mangelnde Anstrengung oder schlechte Erziehung bezeichnete Probleme bringen und damit eine Änderung dysfunktionaler Verhaltens- und Interaktionsmuster (z.B. Perfektionismus und Selbstüberforderung, wiederholte Konflikte und Eskalationen in Partnerschaft oder Beruf, Verhaltensexzesse).
Im Rahmen einer stationären Therapie wird thematisch eine Begrenzung auf einige wenige Problemfelder erfolgen. Diese Themen werden zu Beginn gemeinsam in einem Therapieplan definiert. Erfahrungsgemäß fällt es gerade ADHS-Patienten schwer, eine solche Fokussierung auf einen definierten Behandlungsauftrag anzunehmen und sich nicht im therapeutischen Angebot einer Klinik mit immer neuen Themengebieten im Sinne eines Abschweifens zu beschäftigen.
Weiterhin berücksichtigt das psychotherapeutische Behandlungskonzept des ADHS-Schwerpunktes das gleichzeitige Vorliegen von Begleitstörungen, also zusätzlich bestehenden Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen, Persönlichkeitsstörungen, Essstörungen etc.. Diese werden in Rahmen des gruppentherapeutischen Prozesses in gleicher Güte und in üblicher Form mitbehandelt. Die gleichzeitige Behandlung von AHDS und dieser bestehenden Begleiterkrankungen eröffnet für viele Patienten erst die Möglichkeit einer dauerhaften Stabilisierung. Dies gilt besonders für chronifizierte Patienten, d.h. Menschen mit wiederholten ambulanten und stationären Behandlungsversuchen, die trotz kombinierter medikamentöser und verschiedener psychotherapeutischer Interventionsversuche keine dauerhafte Stabilisierung erreichten, da ein gleichzeitig parallel bestehendes ADHS unerkannt und unberücksichtigt blieb.